Echtzeit per Licht: TSN und Li‑Fi machen Industriekommunikation flexibel und energieeffizient

Wir präsentieren ein TSN‑Testbed, das kabelgebundene und Li‑Fi‑Verbindungen bis 1 Gbit/s bidirektional mit präziser Energie‑ und Latenzmessung verifiziert. Drei Li‑Fi‑Systeme zeigen deterministische Latenzen (Grathus ~10 µs, Arthus III ~22 µs, 1GHS ~2 ms) und einen klaren Effizienztrend: Mit steigender Auslastung sinkt die Energie pro Bit; 1GHS ist am sparsamsten (bis ~3,6 nJ/Bit). Eine einfache LED‑Bias‑Optimierung senkt den Energiebedarf des 1GHS um bis zu 20,2 % (Frontend: 27,5 %) – ein belastbarer Benchmark für energieeffiziente, drahtlose Echtzeit in der Industrie.

Ein Beitrag von:

Dipl.-Ing. Philipp Meißner
philipp.meissner@ipms.fraunhofer.de
Business Unit Data Communication & Computing | Systems
Fraunhofer-Institut für Photonische Mikrosysteme IPMS

Der Energieverbrauch moderner Netze wächst – und zugleich steigt der Bedarf an verlässlicher, echtzeitfähiger und mobiler Kommunikation in der Fabrik. Das Fraunhofer IPMS hat dafür ein Testumfeld entwickelt, das zeigt, wie sich Echtzeitkommunikation drahtlos über Li‑Fi umsetzen und dabei messbar Energie sparen lässt. Unter realistischen Bedingungen werden Leistung, Verzögerungszeiten und Energiebedarf gemeinsam erfasst – so entstehen belastbare Kennzahlen, mit denen sich Geräte fair vergleichen und gezielt optimieren lassen.

Abbildung 1: Fraunhofer IPMS  Li-Fi technologien (von links nach rechts:  Grathus®, Li-Fi GigaSpot, Li-Fi Arthus III)

Vereinfacht gesagt sorgt die Echtzeittechnik dafür, dass wichtige Daten pünktlich und zuverlässig ankommen, auch wenn viel los ist im Netz. Li‑Fi überträgt diese Daten nicht per Funk, sondern per Licht. Das ist schnell, störsicher und ideal in Produktionshallen mit viel Metall oder in kritischen Bereichen, in denen Funk nicht erlaubt ist. Das Testbed zeigt eine drahtlose Verbindung in „Kabel-Qualität“: sehr niedrige, vorhersehbare Verzögerungen und auf Wunsch sogar eine Absicherung über zwei getrennte Lichtstrecken, damit bei einem Ausfall kein Datenverlust entsteht.

Im Test wurden drei industrielle Li‑Fi‑Varianten untersucht, die unterschiedliche Anforderungen abdecken. Grathus® ist für lange Strecken ausgelegt und schafft über 1 Gbit/s bei Reichweiten bis etwa 300 Metern; der durchschnittliche Verbrauch liegt bei rund 7,5 Watt. Das 1GHS‑System liefert 1 Gbit/s für typische Hallendistanzen bis etwa 12 Meter bei etwa 5 Watt und bietet dank breitem Sichtfeld flexible Punkt‑zu‑Punkt‑ und kleine Mehrpunkt‑Szenarien. Arthus III ist eine kompakte Lösung für kurze Distanzen bis etwa 1,5 Meter mit 10/100 Mbit/s und besonders niedriger Leistungsaufnahme von rund 1,6 Watt. Bei der Messung der Verzögerung zeigt sich, wie nahe Li‑Fi an kabelgebundene Übertragung heranreicht: Das Referenzkabel zeigt eine Latenz von ca. 6 Mikrosekunden, Grathus® bei rund 10 Mikrosekunden und Arthus III bei etwa 22 Mikrosekunden. Das 1GHS bewegt sich prinzipbedingt bei etwa 2 Millisekunden, bleibt dabei aber stabil und damit deutlich unter typischen WLAN‑Werten – und oft berechenbarer als Mobilfunk, der im Feld um etwa 10 Millisekunden schwankt.

Abbildung 2: TSN-Testbed mit zwei Li-Fi-Kanälen des Fraunhofer IPMS (Typ: Arthus III)

Entscheidend für das Erreichen der Green‑ICT‑Ziele ist die Effizienz. Gemessen wurde deshalb nicht nur der Gesamtverbrauch, sondern die Energie pro übertragenem Bit – und wie sie sich mit der Auslastung ändert. Das Muster ist klar: Bei geringer Auslastung kostet jedes Bit mehr Energie, weil der Grundverbrauch stärker ins Gewicht fällt; mit höherer Auslastung wird das Bit „billiger“. Konkrete Zahlen: Bei 10 Prozent Auslastung benötigt das 1GHS rund 69,5 Prozent weniger Energie pro Bit als Arthus III und etwa 36,6 Prozent weniger als Grathus®. Nähern sich die Links der Volllast, sinkt der Energiebedarf pro Bit bei allen drei Systemen deutlich; gegenüber dem 10‑Prozent‑Punkt des 1GHS verbessert sich die Effizienz bei hoher Auslastung um fast zwei Drittel. Im Hochlastbereich erreicht das 1GHS etwa 3,6 nJ pro Bit, während Grathus® mit seiner großen Reichweite bei rund 7,5 nJ pro Bit liegt – ein anschaulicher Beleg für den Zielkonflikt zwischen maximaler Reichweite und minimalem Energiebedarf.

Zusätzlich wurde das 1GHS gezielt optimiert. Die Sende‑LEDs werden in Leerlaufphasen automatisch stromlos geschaltet, sodass keine Energie „ins Nichts“ geht. Dieser scheinbar kleine Eingriff hat große Wirkung: Der Gesamtverbrauch des Transceivers sank um bis zu 20,2 Prozent, bei 50 Prozent Auslastung um rund 12 Prozent. Betrachtet man nur das optische Frontend, ergeben sich bei 10 Prozent Auslastung sogar 27,5 Prozent Einsparung und bei 50 Prozent 16 Prozent. Bei sehr hoher Auslastung verschwinden die Unterschiede erwartungsgemäß im Messrauschen, weil ohnehin fast durchgängig gesendet wird. Gerade mobile Anwendungen – autonome Transportfahrzeuge, Roboter oder drahtlose Sensorknoten – profitieren davon, weil jede eingesparte Wattstunde die Einsatzzeit verlängert.

Für die Praxis bedeutet das: Weniger Kabel, mehr Flexibilität und schnellere Umbauten – ohne Abstriche bei Reaktionszeit und Zuverlässigkeit. Das Testbed liefert dafür erstmals ein umfassendes, reproduzierbares Benchmarking für drahtlose Echtzeit über Li‑Fi: Datenrate, Verzögerung, Stabilität und Energiebedarf werden unter einheitlichen Bedingungen gemessen und sind damit vergleichbar. Unternehmen können eigene Geräte einbinden, unterschiedliche Lastprofile testen und so fundiert entscheiden, welche Kombination aus Reichweite, Datenrate und Effizienz zur Anwendung passt. Das Projekt ist Teil von GreenICT@FMD – mit dem klaren Ziel, die digitale Fabrik spürbar energieeffizienter zu machen, ohne auf Echtzeit und Verlässlichkeit zu verzichten.

Kontakt zur Abteilung:
Stephan Kube
Data Communication & Computing
Fraunhofer-Institut für Photonische Mikrosysteme IPMS
Maria-Reiche-Str. 201109 Dresden 
Telefon +49 3518823-1211
stephan.kube@ipms.fraunhofer.de

https://www.ipms.fraunhofer.de/de/Components-and-Systems/Components-and-Systems-Data-Communication.html

Link zu einem themenverwandten Paper:
https://ieeexplore.ieee.org/abstract/document/11077656

Link zu einer Pressemitteilung zu dem Testbed: https://www.ipms.fraunhofer.de/de/press-media/press/2025/Time-Sensitive-Networking-Tesbed.html

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